Die Gedenkstätte

Die Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus im Oberen Drautal

Am Sonntag, den 28. Oktober 2012, eröffnete der Kulturverein kuland in der Nähe des Bahnhofs in Greifenburg die vom Bildhauer Hans-Peter Profunser geschaffene Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus im Oberen Drautal. Damit ist erstmals seit 1945 ein würdiger Ort der Erinnerung an 39 Todesopfer nationalsozialistischer Verfolgung im Oberen Drautal entstanden. 

Vorarbeiten und Opferforschung

Der Verein kuland hat nach Vorarbeiten seit 1996 im Jahr 2005 mit dem Projekt "Aus dem Gedächtnis in die Erinnerung. Die Opfer des Nationalsozialismus im Oberen Drautal" begonnen. Es gelang, die Biografien von 39 Menschen zu rekonstruieren, die von den Nationalsozialisten ermordet worden sind. Viele von ihnen stammten aus dem Oberen Drautal, manche wurden in den Dörfern getötet, manche von hier aus in die Konzentrationslager der Nationalsozialisten deportiert, von manchen fehlt bis heute jede Spur.

Es waren Menschen, die nicht in die nationalsozialistische Vorstellung von einem "gesunden Volkskörper" passten, die aus rassistischen Gründen verfolgt wurden, die aus politischer Überzeugung Widerstand leisteten, die aus religiösen oder anderen Gründen nicht (mehr) am NS-Krieg teilnehmen wollten und desertierten; es waren Zwangsarbeiter, die an ihrem Los verzweifelten oder Kriegsgefangene, die sich befreien wollten.

Die Nationalsozialisten haben versucht, ihre Namen auszulöschen, ihnen Nummern statt Namen zu geben, sie in namenlosen Gräbern zu verscharren. Erst das Erinnern gibt den Verfolgten ihre Namen und damit ihre Würde zurück. Nach einer Reihe von Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen in den Dörfern des Oberen Drautales beauftrage der Verein im Jahr 2008 den Berger Bildhauer Hans-Peter Profunser mit der Entwicklung eines Modells für eine bleibende Gedenkstätte.

Detailansicht der ausziehbaren Laden mit den Namen 

Das Kunstwerk von Hans-Peter Profunser

Als langjähriger Begleiter und Beobachter des Projektes erarbeitete Hans-Peter Profunser in Zusammenarbeit mit kuland ein Modell nach dem Leitmotiv "Aus dem Gedächtnis in die Erinnerung". Im Mai und Juni 2011 wurde das Modell einer begehbaren Skulptur mit ausziehbaren Erinnerungsfenstern der Bevölkerung präsentiert und mit einer Bausteinaktion für die Realisierung begonnen. Nachdem die Deckung der Materialkosten gesichert war, begann Hans-Peter Profunser in seinem Freiluftatelier am Oberberg mit dem Bau der etwa 20 m langen Gedenkstätte.

Im Frühjahr 2012 konnte kuland schließlich einen geeigneten Aufstellungsort für das Denkmal finden und in der Nähe des Bahnhofes von Greifenburg ein Grundstück von den ÖBB anmieten. Die Bauverhandlung verlief ohne Einwendungen von Behörden und Anrainern. In der letzten Oktoberwoche wurde das Denkmal in sechs Teilen an den Standort transportiert und aufgestellt.

Auf der Erläuterungstafel zum Denkmal ist folgende Widmung zu lesen:

"In den Jahren der Herrschaft des Nationalsozialismus (1938–1945) wurden mindestens 40 Menschen im und aus dem Oberen Drautal aus politischen Gründen getötet. Ihnen und allen Überlebenden der Verfolgung ist diese Gedenkstätte gewidmet. Die Namen der Getöteten sind in den ausziehbaren Erinnerungsladen lesbar. Unter den Verfolgten waren Widerstandskämpfer und NS-Gegner, Kriegsgegner, Wehrmachtsdeserteure, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, Menschen, die dem Rassismus und der NS-'Euthanasie' zum Opfer fielen und dem Regime aus anderen Gründen als 'lebensunwert' galten, Menschen, die sich nicht fügen wollten oder konnten."

Der Künstler Hans-Peter Profunser

Hans-Peter Profunser deutet in seinem Kunstwerk das Leitmotiv "Aus dem Gedächtnis in die Erinnerung" auf verschiedenen Ebenen: Der äußere, oben offene Körper aus Eisenstäben symbolisiert das Gehege des Nationalsozialismus, gebaut auf Zwang und Zustimmung, ebenso wie das gegenüber den NS-Opfern verschlossen gebliebene kulturelle Gedächtnis nach 1945. Die an den Enden gebrochene Form deutet darauf hin, dass es sich bei der Geschichte dieser NS-Opfer um ein Bruchstück handelt. Die aufgerissene Front symbolisiert die Tatsache von Widerstand, bietet die Möglichkeit sich den Verfolgten zu nähern und die Mechanismen der Verfolgung zu reflektieren.


Hans-Peter Profunser

Die Laden bilden einen symbolischen Schutzraum für die Verfolgten, den sie bislang nicht erhalten haben. Um sich einem Opfer zu nähern, muss der Besucher eine Lade herausziehen. Diese Tätigkeit soll versinnbildlichen, dass Erinnern ein bewusster Vorgang ist, der es ermöglicht, sich mit unserer Gesellschaft und Geschichte auseinanderzusetzen, ihre Potentiale zu erkennen und zu lernen.

Ziel des Denkmals ist es, die Menschen vom passiven Umgang hin zu einem aktiven zu führen, die Menschen weg vom Zuschauen oder vom Wegschauen hin zu eigenen Aktivitäten zu bringen, eine Schulung der eigenen Wachsamkeit zu erreichen. In den Glasplatten sind neben persönlichen Angaben des Namens, der Geburts- und Todesdaten Zitate eingraviert, die großteils von Schrifstellerinnen und Schriftstellern stammen. Die Inschriften deuten auf die Individualität hin und stellen eine assoziative Brücke zu den Biographien und Texten im Begleitbuch zum Denkmal dar. Leere Kassetten stehen für jene, deren Namen nicht in Erfahrung gebracht werden konnten oder von denen wir nicht wissen.   

Verein aegide

Der Verein aegide betreut das Denkmal. Er setzt sich aus den Initiatoren des Denkmals, dem Künstler und Mitgliedern des Kulturvereines kuland zusammen, der das Projekt im Jahr 2004 initiiert, es seither organisiert, mitfinanziert und bis zur Eröffnung getragen hat.