Das Tal ein Gefängnis. Der Tag ein Raubtier. Die Nacht kein Vergessen.

Anton Staroicicz

Geboren 1903
Geburtsort Gallizien
Todesdatum März 1943
Todesort Greifenburg

Ende März 1943 wurde in einem Waldstück oberhalb des Weilers Kerschbaum, unweit von Greifenburg, an einem Baum hängend ein lebloser Körper entdeckt. Bei dem Toten handelte es sich um den 40-jährigen polnischen Zwangsarbeiter Anton Staroicicz. Der Bürgermeister von Greifenburg meldete an das Arbeitsamt Villach, „dass Staroiciz Anton sich anscheinend in einem Anfall geistiger Umnachtung (…) erhängt hat. Arbeitskollegen haben angegeben, dass Staroicicz an Heimweh litt und schon seit längerer Zeit von hier fort zu seiner Familie wollte.“

Anton Staroicicz hatte auf der Landwirtschaft eines Bauern in Greifenburg zu arbeiten – es war ein Zwangsverhältnis, aus dem es kein Entrinnen, geschweige denn ein „Heimfahren“ gab. Anton Staroicicz stammte aus dem 1939 von NS-Deutschland besetzten Westgalizien („Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete“), wo seine Frau Barbara in der Ortschaft Bohorodyczin (Kreis Stanislau) lebte. Von ihr war Staroicicz fortgerissen worden.

NS-Deutschland hatte diese Gebiete zum Schauplatz brutaler Unterdrückung, Ausplünderung und Ermordung der einheimischen Bevölkerung gemacht. Dazu gehörten die zwangsweise Rekrutierung und Verschleppung von Arbeitskräften in das Deutsche Reich sowie die Einrichtung von Ghettos, Arbeits- und schließlich Vernichtungslagern, die unter der Führung des Kärntner SS-Mannes Odilo Globočnik zum Schauplatz des fabriksmäßigen Massenmordes an der jüdischen Bevölkerung wurden. Von dieser Art deutscher geistiger Umnachtung ist im Briefwechsel zwischen dem Greifenburger Bürgermeister und den Kärntner NS-Behörden über den „Todesfall“ Anton Staroicicz natürlich nicht die Rede.

In der rassistischen Ideologie des Nazismus und seinem politischen Ideal einer deutschen „Volksgemeinschaft“ war es auf lokaler, mittlerer und höherer Ebene, hier wie dort, völlig klar, dass die polnischen „Untermenschen“ für die Deutschen zu arbeiten hatten. Ohne die Arbeit hunderttausender ausländischer ZwangsarbeiterInnen wäre das Wahngebilde nationalsozialistischer Herrschaft in Europa frühzeitig zusammengebrochen.

Man erfährt aus dem Schriftverkehr aber, wie restlos ausgebeutet die polnischen Arbeiter bei der Zwangsarbeit in der heimischen Landwirtschaft wurden. „Ein Nachlass“, hielt der Greifenburger Bürgermeister trocken fest, „ist – abgesehen von einigen alten wertlosen Kleidungsstücken – nicht vorhanden.“

Quellen

Dokumente zu Anton Staroicicz, Gemeindearchiv Greifenburg; Florian Freund/Bertrand Perz: Zwangsarbeit von zivilien AusländerInnen, Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen und ungarischen Juden in Österreich, in: Emmerich Tálos et.al., NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch, Wien, 2000, 644-695.