Kostbarkeit Leben, jetzt, in meiner und deiner Zeit.

Leopold Elbischger

Geburtsdatum 16.6.1892
Geburtsort Greifenburg
Todesdatum März 1941
Todesort Schloss Hartheim

Leopold Elbischger kam am 16. Juni 1892 zur Welt und lebte bis Anfang der 1920er Jahre im Elternhaus in Greifenburg. Der Schlossergehilfe übersiedelt in die Gemeinde Radenthein, wo er im Magnesitwerk Beschäftigung fand. Er brachte es dort bis zum Pressmeister.

Im November 1921 heiratete er in Döbriach die 22-jährige Maria Forstnig. Das Paar bekam bis 1924 drei Kinder und zog in das Elternhaus der Frau ein.

Anfang der 1930er Jahre verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Leopold Elbischger. Chronische Kopfschmerzen machten ihm schon länger zu schaffen. Der Erzählung eines Kriegskameraden des Vaters zufolge hatte Leopold Elbischger als Soldat im Ersten Weltkrieg eine schwere Kopfverletzung durch ein Projektil erlitten. Es wurde nie aus dem Kopf entfernt.

Wegen dieser Krankheit soll Leopold Elbischger seine Stellung im Magnesitwerk verloren haben. Nach amtlichen Quellen war er zuletzt noch einmal zwischen Mai und August 1931 bei der Straßenbauleitung Radenthein beschäftigt. Danach konnte er keiner Arbeit mehr nachgehen. Die Familie lebte von einer Notstandsunterstützung und einer Unfallrente und verarmte zusehends. Leopold Elbischger hing immer mehr religiösen Vorstellungen nach, verhielt sich auffällig, indem er im Dorf ein silbernes Kreuz umher trug und fortwährend vom Jenseits sprach. Am 20. März 1933 wurde Leopold Elbischger in die damals so genannte „Irrenanstalt“ in Klagenfurt eingeliefert.

Nun stellte sich die Frage, wer die Aufenthaltskosten tragen sollte. Die Gemeinde Greifenburg, wo Leopold Elbischger das Heimatrecht besaß und die deshalb für ihn zuständig war, stellte in einem Verfahren über die Begleichung der Anstaltskosten dessen Mittellosigkeit fest. Er besitze kein Vermögen und habe keine bemittelten Angehörigen, die ihm Hilfe leisten könnten. Er gehöre daher zu den Armen, weshalb es ihm unmöglich sei, die Verpflegungskosten der Anstalt zu bezahlen. Die Unfallrente, die er bezog, beanspruchte nun die Anstalt, um die Kosten zu decken. Maria Elbischger blieb mit ihren Kindern im Alter von 9 bis 12 Jahren mittellos zurück. Ihr einziger Besitz waren die elterliche Keusche und einige Ziegen. Sie besuchte ihren Mann mehrfach und sprach mit dem Anstaltsarzt Dr. Franz Niedermoser. Er erklärte ihr, dass sich der Zustand ihres Mannes nicht mehr bessern werde. Schulden häuften sich an. Die Mutter, erinnerte sich ein Sohn im Gespräch, habe oft nächtelang geweint, weil sie nicht wusste, wie sie ihre Kinder ernähren solle. Sie gab die Kinder schließlich zu Bauern in der Umgebung, wo sie für die Kost arbeiteten. Die beiden Buben konnten die Schule ab diesem Zeitpunkt nur mehr zwei Monate im Jahr besuchen, da der Bauer eine Arbeitsfreistellung für sie erwirkt hatte. Bittere Armut, Benachteiligungen und Spott prägten den Alltag der drei Kinder.

Die Mutter kümmerte sich noch, so gut sie konnte, um die Kinder, wurde über ihrer Situation aber selbst nervenkrank. Schließlich ließ man sie im Jahr 1938 in das Krankenhaus Villach einliefern, von dort wurde sie im Oktober ebenfalls in die „Irrenanstalt“ Klagenfurt verlegt. Für die Verpflegungskosten des Ehepaars wurden nun die drei Kinder in die Pflicht genommen. Dies geht aus den Aufzeichnungen der „Irrenanstalt“ hervor. Eine Eintragung zeigt, dass die Tochter am 11. Juni 1940 in der Anstalt erschienen ist und angegeben hat, dass der Landrat Spittal einen Verpflegungskostenbeitrag von 560 RM für die Eltern vorgeschrieben habe. Zwei Raten in der Höhe von 30 und 40 RM habe der ältere Bruder bereits beglichen.

Die Vorschreibungen des Landrats überforderten die Einkünfte der Kinder offenbar bei weitem. Die Tochter bat deshalb um Nachlass. Die junge Frau wird in dem Akt zitiert: „Ich wollte meine Mutter der Anstalt entnehmen, der Arzt lehnte dies jedoch wegen Selbst- und Gemeingefährlichkeit ab. Ich ersuche nun um eine Verpflegungskostenvorschreibung, die unseren Einkünften entspricht.“ Sie schlug 30 RM im Monat vor, so dass „uns unser Häuschen erhalten bleibt und nicht belastet wird“.

Die Kinder waren bereit, für das Leben ihrer Eltern zu sorgen. Doch die NS-Medizin verfolgte eine andere Absicht; es ging ihr nicht um die Bedeckung von Kosten, sondern um die Vernichtung von „unwertem“ Leben, um die Realisierung der ideologischen Zwangsvorstellung, eine „rassisch“ homogene und „gesunde“ Volksgemeinschaft zu schaffen, indem „Minderwertige“ aus dem „Erbgut“ ausgeschieden werden. Die Ermordung von psychisch erkrankten Menschen war Teil der Umsetzung dieses Vorhabens. Am 25. August 1940 wurde Maria Elbischger mit einem Patiententransport von der Psychiatrie in Klagenfurt in die Vernichtungsanstalt Schloss Hartheim überstellt. Ihr Mann Leopold folgte mit einem Transport am 24. März 1941.

Als aus Hartheim die Nachricht über den Tod der Eltern kam und sich der Sohn einen Trauerflor am Ärmel anlegte, wurde er im Dorf verspottet. Die Hitler-Jugend untersagte ihm das Tragen des schwarzen Bandes. Zugleich versuchten örtliche NS-Funktionäre, den ärmlichen Besitz der Familie an sich zu reißen. Doch die Kinder kämpften um ihr Erbe. Der Bezirksrichter von Millstatt erklärte schließlich den 17-jährigen Sohn für volljährig, wodurch er das Erbe antreten konnte. Der Richter, erinnerte sich dieser Sohn, habe gegen die Anfeindungen der Nationalsozialisten den Fleiß und Anstrengungen der Kinder, das Elternhaus zu behalten, anerkannt.

Als Todesursache der Eltern schien in der Erklärung aus Hartheim „Lungenentzündung“ auf. Schon damals sei ihm aber klar gewesen, sagte der Sohn, dass die Eltern umgebracht worden sind. Etwas zu sagen habe er sich in seiner Situation nicht getraut. Nach dem Krieg zogen die Kinder aus der Gemeinde Radenthein weg, an Orte, wo ihre Geschichte nicht bekannt war, sie nicht gegen Vorurteile anzukämpfen hatten und ihnen trotz ihrer schweren Kindheit und Jugend ein gedeihliches Fortkommen möglich werden sollte.

Anmerkung zum Foto: Deckel des Krankenaktes, mit der handschriftlichen Anmerkung "Niedernhart überstellt".

Quellen

Gedenkstatte Schloss Hartheim; Interview mit H. E., 12. Mai 2005; Archiv des Zentrums für seelische Gesundheit in Klagenfurt, Krankenakten; Dokumente aus dem Archiv der Gemeinde Radenthein; Nachlass. Niedermoser-Prozess